Die Ausstellungseröffnung entglitt den Galeristen – einen Toten konnten sie jetzt, unter all den Party People, wirklich nicht gebrauchen, noch dazu handelte es sich um Martina Gries-Sterzegg, ihres Zeichens Professorin des ecm-Lehrganges. Das ist ein 4-semestriger Wochenendlehrgang an der „Angewandten“, der den Anspruch „educating-curating-managing“ stellt. Frau würde fürs Musemswesen fit gemacht.
Frau insofern, als die komplette Professorenschaft weiblich war, und im aktuellen Lehrgang gab es unter 15 Teilnehmerinnen gerade zwei Männer (ob die sich wohl als „Quotenmännlein“ fühlten?).
Als Sommerprojekt war genau diese Eröffnung vorgesehen gewesen (über den Sommer arbeiteten die Studentinnen intensiv an den Vorbereitungen), ausgestellt werden sollte ein Künstler, der zuvor schon eine Personale im Bank Austria Foyer gehabt hatte.
Und ausgerechnet zur Eröffnung musste die Professorin Martina Gries-Sterzegg an der Bar zusammensacken. Sie war noch dazu die persönliche Betreuerin der Studentinnen, die diese Vernissage projekthalber organisiert hatten – die restlichen Professorinnen des Lehrgangs waren zuvor zwar anwesend gewesen, hatten jetzt aber schon längst den Heimweg angetreten.
Zum Feiern verblieben waren also lediglich der Künstler, die Studentinnen samt Anhang, plus eben die Professorin Martina Gries-Sterzegg.
Und, wie gesagt: So eine Tote kann schon die Partystimmung zusammenhauen.
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Der Schmerzensreiche fragte sich bei den Studentinnen durch.
Was dabei heraus kam: eigentlich mochte die Professorin niemand so recht.
Davon abgesehen: auch die Studentinnen mochten sich untereinander – Stichtwort Stutenbissigkeit – nicht wirklich.
Was der Schmerzensreiche weiters herausfand: die Professorinnen konnten sich sogar untereinander nicht leiden. Es gab regelrechte Dramen, wenn eine Professorin im Zuge des Aufnahmegesprächs „ihre Studentinnen“ durchbringen konnte.
So gesehen: verdächtig am Tode der Professorin waren somit: alle!
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Was also tun?
Der Schmerzensreiche überlegte – Motiv, Gelegenheit, Mittel? Hm!
Motiv hatten wohl – tatatataaa: alle! –, die Gelegenheit wohl auch: die Party“; aber: wer hatte dazu auch die Mittel?
Die Mittel? Wozu eigentlich?
Nun, die Spurensicherung hatte eine (erste) Idee: Gift! Es musste sich um Gift handeln.
Welches Gift?
„Na, irgendetwas mit schweren Barbituraten …“, sagte einer der Forensiker der Abendschicht.
„… also Schlafmittel …“, schloss der Schmerzensreiche.
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Also befragte der Schmerzensreiche die Dame – die einzige – an der Bar (die anderen Studentinnen saßen in sich gekauert an den Wänden). Diese hier war auch eine Studentin, sie hatte den ganzen Abend die Bewirtung über.
„… haben Sie etwas Verdächtiges beobachtet?“, fragte der Schmerzensreiche, um sich gleich zu korrigieren, „… ich meine, Sie haben die Frau Professor ja den ganzen Abend über beobachtet, sprich: bewirtet, oder?“
Die Studentin sagte erstmals: nichts.
„… ich verstehe Sie nicht …?“, ärgerte sich der Schmerzensreiche.
Da fiel es ihr ein: wie konnte der untersuchende Forensiker – so schnell – auf „Gift“ schließen, das ist doch unseriös!
Naja, so sagte sich der Schmerzensreiche, war wohl eine ,erste Annahme‘, und ich habe einfach nicht so gut zugehört.
„… also?“, stieg der Schmerzensreiche wieder in das Gespräch mit der Bar-Dame ein, „was können Sie mir über den Konsum der Professorin sagen, was hat sie getrunken? Was haben Sie ihr vorgesetzt?“
„Leitungswasser …“, rückte die sonst mitteilungsunfreudige Studentin unvermittelt heraus, „… habe mich eh die ganze Zeit gewundert – nur: Leitungswasser …“
„Wie, bitte?“, fragte der Schmerzensreiche nach.
„… ja, Leitungswasser … jetzt, wo Sie es sagen … ich wundere mich wirklich: die wollte die ganze Zeit … immer nur … Leitungswasser … Ich habe wiederholte Male versucht, ihr Sekt, oder Wodka, oder Gin, oder sowas eben anzudrehen … aber Sie hat immer drauf bestanden: Leitungswasser! Ich möchte Leitungswasser!“
„Danke, vorerst …“, verabschiedete sich der Schmerzensreiche aus dem Gespräch mit der studentischen Bar-Kraft abrupt.
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„Hörst, Jakob“, begann der Schmerzensreiche, „du hast vorhin was von … Gift … gesagt …“
„Ja, höchstwahrscheinlich … Hexa…“
„Ja, ja, verschonʼ mich mit der chemischen Formel …“, warf der Schmerzensreiche dazwischen, „aber sagʼ mir eines: kann das sein, dass dieses Gift auf Leitungswasser besonders reagiert …“
„… Leitungswasser, sagst du?“, kratzte sich der Untersuchungstechniker am Kopf, „… auf H2O …“
„… also: Leitungswasser …“, ergänzte der Schmerzensreiche.
„… reagiert dieses Gift sogar ganz besonders …“
„… Ich höre …“
„… es wirkt nämlich quasi verstärkend …“
„… du sagst“, fragte der Schmerzensreiche nach, „… dieses … Barbiturat …“
„… naja … es ist eben ein besonderes Barbiturat“, warf der Chemiker ein.
„… tatsächlich ..?“, umschmeichelte der Schmerzensreiche sein Kinn.
Da trat eine Polizistin auf ihn hinzu.
„Chef, du … wir haben einen Brief bei ihr zu Hause gefunden …“
„… lassʼ mich raten, Kathi … dabei handelt es sich um einen Abschiedsbrief …“
„… ja, woher weißt du das ..?“, wunderte sich die junge Polizistin.
Mit den Worten „Pah! Leitungswasser! Pfui, der Teufel … wer trinkt denn soʼwas? Im Wasser pudern ja die Fische!“ verabschiedete sich der Schmerzensreiche freundlich nickend und murmelnd von der jungen Polizeibeamtin – und ging auf ein Bier.