Mit Kindern einkaufen zu gehen, ist selten lustig. Sobald sie den Einkaufswagen verlassen können, sind sie ständige Unruheherde und eiskalte Candynapper. Adrian war so weit. Er schlengelt seinen Körper elegant durch die Gänge, rechts die Chips, links das Brot, und über uns das zitternde Neonlicht.
Wir waren inmitten eines Lebensmitteldiskonters. Der souverän lächelnde Vater lässt seinen Sohn von der Leine, schenkt ihm seine Freiheit und macht ihn so zu einem mündigen Konsumenten. Aus dem Augenwinkel beobachte ich ihn selbstverständlich, das hier ist kein Spielplatz, das ist die Realität.
Hier gibt es Vorschriften, hier gibt es Regeln, hier gibt es Einkaufslisten. Ich verzichte auf diese peinliche Schrulligkeit: Ich weiß, was wir brauchen.
Wie üblich, habe ich einen Einkaufswagen erwischt, der nach links zieht. Die Hälfte der Räder eiern, und den Euro krieg ich vermutlich nie wieder aus dem zerschundenen Schlitz.
Aber ich bin nicht zum Jammern da, beim Einkaufen zählt die Effektivität. Ohne anzuhalten, lade ich unseren Gemüse-Standard ein, kontrolliere oberflächlich auf Gedeih oder Verderb, passiere das Weinsortiment und tänzle in Richtung Kühlregal.
Beim Lactose-Corner treffe ich auf einen Bekannten aus der Kategorie Smalltalk, wir verfrachten Colon-Booster und andere bunte Becher in die silbernen Käfige, reden über unsere Kinder und ich bemerke, dass meines nicht mehr da ist.
Erinnerungen an einen vergangenen Thermen-Zwischenfall werden wach, und das Nebennierenmark jagt einen Adrenalin-Mob durch meine Blutbahn.
Plötzlich ist der Supermarkt so groß, die Gänge haben Abkürzungen und Hohlwege, und dazu diese telefonierenden Menschenmassen, die ihre unvollständigen Einkauflisten updaten.
Adrian kann ja überall sein, vielleicht versteckt er sich hinter einer Orangenpyramide, oder er brütet Überraschungseier aus, die unter seiner Last zusammenbrechen.
Oder er hat einen Bekannten aus der Kategorie Urvertrauen getroffen und sie genehmigen sich einen Energy-Drink auf Kosten des Hauses? Langsam werde ich unruhig.
Als ich hektisch um eine Ecke luchse, sehe ich ein auf dem Boden liegendes Kind.
Die Grundfarbe weiß für Kinderbekleidung ist prinzipiell problematisch. Egal, ob der Träger intro- oder extrovertiert ist.
Adrian hat es sich neben einer Palette mit Kristallzucker gemütlich gemacht. Irgendein Unfähiger hat vermutlich mit einem nach links ziehenden Einkaufswagen ein Leck in ein paar Packungen Zucker geschlagen, und mein Sohn lässt sich glücklich grinsend berieseln.
Ich helfe ihm auf, entferne oberflächlich das Crystal Z., bemerke seine erweiterten Pupillen, und setze den Junkie in den Einkaufswagen.
In der Warteschlange vor der Kassa treffe ich wieder auf meinen Bekannten, der lächelnd mein karamellisiertes Kind begrüßt.
Adrian grüßt ja prinzipiell nicht, stattdessen fragt er mich, ob er einen Kaugummi „dürfe“.
Ich negiere, bezahle und wir eiern würdevoll zum Parkplatz.
THOMAS & ADRIAN VITZTHUM #2
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