Als moderner Mann bin ich oftmals eine nützliche Hilfe im Haushalt. Das stammt vermutlich noch aus einer Zeit, in der ich der einzige Bewohner desselben gewesen bin.
Aus irgendeinem Grund habe ich letztens freiwillig die saubere Wäsche nach meinem durchdachten, makellosen System auf den Ständer angebracht. Das ist an sich eine Tätigkeit, die zum Abdriften in die Gedankenwelt einlädt, weil selbst unterdurchschnittlich geschickte Arme keine besondere Ausbildung dafür benötigen.
Da in unserer Familie ausschließlich Bügelverachter leben, hänge ich alles akkurat und personenbezogen auf: Frau, Mann, Kind.
Jeder hat seinen eigenen Sektor, was beim Abnehmen und Verräumen der Wäsche einen enormen Zeitvorteil bringt.
Meistens denke ich bei dieser Arbeit an meine Schallplattensammlung oder gehe die Postleitzahlen aller niederösterreichischen Gemeinden durch. Als ich Adrians Kleidung ankluppe, lese ich seinen auf ein Hightech-Material beflockten Namen und sehe auch eine Rückennummer. Dabei fällt mir auf, dass sein Sektor mittlerweile fast die Hälfte der Aufhängefläche ausmacht.
Vorbei sind die Zeiten, als sein gesamter textiler Besitz locker auf einem unaufgeklappten Wäscheständer Platz gefunden hat. 20 Biobaumwollbodies, im zeitlosen Stillkindcamouflagedesign, ein permanent dreckiges Dutzend Stoffwindeln, eine mysteriöserweise ungerade Zahl an hellblauen Minisöckchen bzw. Barbiekopfbeanies, zwei Kapuzensweatjacken von den Ramones und West Ham Utd., drei Latzhosen und diverse T-Shirts von Cartoonhelden, wie Bob der Baumeister oder Lightning McQueen.
Ich lasse mich nach getaner Arbeit in einen Gartensessel sinken, spüre den bemühten Frühlingswind, der – unterstützt durch wohlwollende Sonnenstrahlen – die jungen Triebe der alteingesessenen Bäume enthusiastisch hin und her bewegt.
Der kleine Bub, der nur uns alleine gehört hat, ist nun Teil eines Teams geworden. Ich, als Einzelsportler, hatte nie eine bestimmte Position oder Rolle in einer gesundheitsorientierten Peer Group zu bekleiden – und da beim Laissez-faire-Gesellschaftstrinken keinerlei taktische Vorgaben vorhanden waren, musste ich mich auch in keine einfügen.
Die milde Brise und das eigentlich angenehme Brummen der Hummeln lässt mich einnicken. Ich überspringe ein paar Kapitel in meiner biographischen DVD und sehe, wie mich Adrian mit seiner Familie zu Ostern überrascht.
Er umarmt mich, klopft mir dabei auf die Schultern, seine Kinder schnüffeln derweilen gierig nach Süßigkeiten durch den Garten – und er hilft mir tatsächlich beim Wäsche aufhängen.
Irgendeine hohle Ackerhummel kollidiert mit meinem Hansaton-Sound-System und ich schrecke jäh auf. Ein paar Momente später kommt Adrian von der Schule retour und setzt sich zu mir. Wir schweigen gemeinsam ein Weilchen und besprechen danach den abendlichen Menüplan.
Daraufhin bringe ich ihn zum Training und bleibe ausnahmsweise mal dabei, um ihn aus einem toten Winkel zu beobachten.
Nach den abendlichen Riten begleite ich Adrian freiwillig in sein Zimmer – und ich erzähle ihm von meinem Tag. Dabei streiche ich ihm zufrieden lächelnd durch die Haare und platziere beim Gehen einen Kuss auf seine Stirn.
Im Gegensatz zu früher schlafe ich heutzutage kaum mehr vor ihm ein und leiste meiner Frau noch ein wenig Gesellschaft.
Ein paar Kapitel später schaue ich mürrisch meiner Heimhilfe beim willkürlichen Aufhängen der Wäsche zu und gebe verzweifelte Anweisungen, die jedoch nicht einmal ignoriert werden.
Adrian kommt später mit Essen vorbei, er erzählt stolz von seinen Kindern und begleitet mich dann noch ins Zimmer.
Er setzt sich kurz zu mir, sortiert meine wirren Haare – und wir lächeln uns zufrieden an.
THOMAS & ADRIAN VITZTHUM #5