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#71: Deutschland: Marktmanipulation in Dunkelflaute?

Mitte Dezember sind in Deutschland die Notfallkraftwerke mitten in der Dunkelflaute nicht angesprungen. Kritiker der deutschen Energiepolitik vermuten Markmanipulation.

 

Mitte Dezember gab es in Deutschland eine sogenannte Dunkelflaute: Wetterbedingt lieferten Wind- und Solarkraftwerke kaum Strom. Aber: Kohle- und Gaskraftwerke kompensierten den Ausfall nicht.

 

In der Folge explodierten die Preise an der Energiebörse. Wie konnte das passieren? Etwa die Hälfte der Kohlekraftwerke hat während der Dunkelflaute nicht geliefert, bei den Gaskraftwerken waren fast zwei Drittel außer Betrieb. Obwohl ausreichend Kraftwerke vorhanden waren, haben sie keinen Strom angeboten. Bundesnetzagentur und Kartellamt ermitteln wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Betreiber sollen also u.a. Strom aus ihren Reservewerken zurückgehalten haben, um mit Strom aus ihren anderen Produktionssteuern teurere Preise abzuschöpfen.

 

Verdacht: Fossile Kraftwerke liefen nicht, obwohl sie betriebsbereit waren

Holger Lösch, stv. Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), äußert seinen Unmut: „Dunkelflauten erzeugen immer häufiger extrem hohe Energiepreise und gefährden so Industrieproduktion und Arbeitsplätze am Standort Deutschland.“

 

Eine FAZ-Recherche wirft ein Schlaglicht auf die jüngsten Preisexplosionen am deutschen Strommarkt. Während Industrie, Verbraucher und Nachbarländer stöhnen, stehen Energieanbieter unter Verdacht, von der Dunkelflaute zu profitieren. Die Behörden prüfen jetzt, ob es zu marktmissbräuchlichem Verhalten gekommen ist.

 

Laut Experten hätte die Stromversorgung mit den verfügbaren Marktressourcen eigentlich gesichert werden können. Warum liefen Mitte Dezember also viele fossile Kraftwerke nicht, obwohl sie laut Behörde betriebsbereit waren?

 

Reservekraftwerke bleiben ungenutzt

Experten zufolge stehen in Deutschland mehr als 90 Gigawatt regelbare Leistung zur Verfügung, was Engpässe unwahrscheinlich macht. Der Verdacht liegt also nahe, dass einige Kraftwerksbetreiber Kapazitäten zurückgehalten haben könnten, um die Preise in die Höhe zu treiben. Das legt zumindest auch die Recherche von Ard Plus/Minus nahe.

 

Demnach herrscht – seit einem Merkel-Gesetz von 2020 – überdies der politische Wille vor, Reservekraftwerke nicht anlaufen zu lassen, stattdessen wird – teuer! – im Ausland eingekauft, und dabei kann es sich durchaus um Atomstrom aus Frankreich oder um Strom aus Kohlekraftwerken aus Polen handeln.

 

Bundesweit stehen in Deutschland zwölf große Steinkohlekraftwerke als Reserve dauerhaft in Bereitschaft, dazu noch sechs große Erdgaskraftwerke, insgesamt könnten sie 9.800 Megawatt Strom liefern, so viel wie sieben Atomkraftwerke. Aber sie dürfen eben nicht.

 

Wirtschaftsminister Habeck hat außerdem die Pläne für ein Kraftwerksicherungsgesetz „aufgrund fehlender Zeit und Unterstützung in dieser Legislaturperiode“ gestoppt.

Fazit der FAZ: Deutschland benötigt dringend flexible Erzeugungskapazitäten, um Dunkelflauten auszugleichen.

 

Künstliche Verknappung

 

Laut Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, möchte man die Preisbildung während der Dunkelflaute jetzt auf etwaige Manipulationen hin überprüfen.

 

Deutschlands Energiepolitik steht auch international in der Kritik. Schwedens Energieministerin und Vize-Regierungschefin Ebba Busch beispielsweise kritisierte Deutschland wegen der fehlenden Strompreiszonen. In Norwegen wurden Forderungen laut, den Export nach Deutschland neu zu verhandeln.

 

„Kein Ausstieg ohne Einstieg“

 

„Mit jedem Kraftwerk, das vom Stromnetz genommen wird, steigt die Wahrscheinlichkeit von Knappheitssituationen. Deshalb gilt: Kein weiterer Ausstieg ohne Einstieg“, warnt Christoph Müller, Geschäftsführer von Amprion.

 

Von Prof. Christof von der TU Darmstadt heißt es in diesem Zusammenhang: „Wir haben für Dunkelflauten an und für sich genügend Kapazitäten, nur ist die leider in einer Reserve geparkt und nicht für den Markt verfügbar.“ Weiters: „Wenn das Angebot verknappt wird, geht der Preis nach oben.“ Und: Würde man besagte Reserven in Dunkelflauten in Anspruch nehmen, würden CO2-Emissionen lediglich im marginalen Bereich ausgestoßen. Aber eben: es besteht hierzu kein politischer Wille.

 

Kommt die Wende von der Energiewende?

Es sei überaus töricht, auf der einen Seite für die Vorhaltung von Reservekraftwerken zu bezahlen und auf der anderen Seite auf den Benefit – in Form niedrigerer Strompreise – zu verzichten, „das ist eigentlich nicht rational“, so Prof. Bauer.

 

 

Sogenannte Reservekraftwerke dienen demnach ausschließlich der Systemsicherheit – und dürfen nicht am Strommarkt teilnehmen. Kommt mit einer wahrscheinlichen Regierung unter Friedrich Merz jetzt die Wende von der Energiewende? Wir bleiben dran.