Trotz aller Energiesanktionen gegen Moskau kauft Europa so viel Flüssigerdgas aus Russland wie nie, vor allem über die deutsche frühere Gazprom-Tochter Sefe.
Mit Sanktionen gegen den Energiesektor möchte Europa Russland die Finanzierung seines Angriffskriegs gegen die Ukraine erschweren. Ungarn hat jetzt eingeschwenkt.
Zuletzt sind die Einfuhren von Flüssig-Erdgas (LNG) aus Russland aber weiter stark angestiegen. Zu Beginn des Jahres 2025 haben die Importe nach Europa aber ein Rekordhoch erreicht, berichtet unter Berufung auf Daten des Analyseportals Kpler. Deutschland spielt dabei eine entscheidende Rolle
Es wird alles vermischt
Bei der Einfuhr von Flüssigerdgas aus Russland in die EU spielt Deutschland einem Bericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zufolge eine zentrale Rolle. Über das bundeseigene Energieunternehmen Sefe sei im vergangenen Jahr mehr als sechsmal so viel Flüssigerdgas (LNG) in die Europäische Union wie noch 2023 transportiert worden. Konkret kamen demnach 5,66 Milliarden Kubikmeter von Sefe importiertes LNG im französischen Dünkirchen am Ärmelkanal an.
Die größten LNG-Importeure in der EU sind nach Angaben der EU-Kommission Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Italien. Von den Terminals in diesen Ländern wird das Gas in die Leitungen eingespeist, vermischt sich mit dem vorhandenen Gas und wird weitertransportiert – auch nach Deutschland.
LNG darf trotz rigiden Sanktionsregimes in die EU eingeführt werden
Laut EU-Kommission wurden 2024 insgesamt 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG eingeführt – nach 18 Milliarden im Jahr zuvor. Das meiste Flüssigerdgas in der EU kommt nach Angaben der Brüsseler EU-Kommission aus den USA, doch Europa ist trotz aller Sanktionen ein wichtiger Kunde Russlands.
Der jüngste Anstieg Anfang 2025 dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Ukraine kein Erdgas mehr passieren lässt und den Transit durch Pipelines über ihr Staatsgebiet seit Jahresbeginn unterbunden hat. Dass sich dies ändert, war die Grundbedingung für Victor Orban, dem jüngsten Sanktions-Regime seitens der EU zuzustimmen, siehe auch die entsprechende Meldung auf diesem Nachrichtenportal.
Die Einfuhren werden also weiter steigen. Die EU hat ihrerseits zwar zahlreiche Sanktionen gegen russische Energieträger wie Kohle und Öl verhängt, LNG darf aber weiterhin in die Staatengemeinschaft eingeführt werden.
Sefe sieht sich an Vertrag gebunden
Das bundeseigene Unternehmen Sefe (Securing Energy for Europe GmbH) importiert deshalb weiter LNG aus Russland und leitet es nach Frankreich weiter. Da Europa keine Sanktionen gegen den Import von russischem LNG nach Europa verhängt hat, gebe es derzeit keine rechtliche Grundlage für die Kündigung oder Aussetzung eines bestehenden Vertrags, teilte das Energieunternehmen mit.
Selbst wenn Sefe das Gas nicht abnähme, müssten die vereinbarten Mengen bezahlt werden (Take-or-Pay-Klausel). Die Nichtabnahme würde dem Lieferanten ermöglichen, diese Mengen erneut zu verkaufen, was die russische Wirtschaft unterstützen würde, argumentierte Sefe. Bemerkenswert: Das Unternehmen hieß früher Gazprom Germania, war eine Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom und wurde als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der Energiekrise verstaatlicht.
Russisches LNG in deutschen Leitungen
Die von Sefe in Dünkirchen angenommenen LNG-Importe werden an zwei Handelsplätzen in Frankreich und Belgien verkauft. „Sefe liefert kein russisches LNG nach Deutschland, noch haben wir versucht, es dorthin zu liefern“, teilt das Unternehmen mit.
Wie viel des in Frankreich ankommenden LNGs letztlich in Deutschlands Leitungen landet, ist nach Angaben Sefes nicht zu ermitteln: „Sobald die in Dünkirchen angenommenen Moleküle in das europäische Gasnetz eingespeist werden, können sie nicht mehr nachverfolgt werden.“
Die DUH und Bond Beter Leefmilieu (Belgien) gehen jedoch davon aus, dass der Anteil russischen Flüssigerdgases über indirekte Importe via Frankreich und Belgien an den gesamten deutschen Gasimporten im Jahr 2023 zwischen
3 und 9,2 Prozent lag. Dafür betrachteten sie die Gasflüsse zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland und berechneten verschiedene Szenarien. Die Autoren des Berichts kritisieren: „Die Unsicherheitsspanne in unseren Ergebnissen ist auf die mangelnde Transparenz des EU-Gasbinnenmarktes zurückzuführen, die eine Beschönigung des russischen Gases ermöglicht.“